Artikel aus Motorrad-Magazin MO, Heft 07/2000
(von Thomas Kuttruf)
Dynotec Guzzi V11 Sport
Eine Moto Guzzi als fröhlich wuselnder Landstraßenfeger? “Niemals”, werden Sie sagen. Doch Vorsicht! Manchmal geht alles furchtbar schnell. Das Blaue, das Sie soeben überholt hat, heißt Dynotec-Guzzi V11 Sport. Der lebende Beweis, dass italienische Betonmischer doch auf die Landstraße gehören. Vor allem aber erzählt sie die Geschichte vom eisernen Glauben an das “überlegene Konzept”
von Thomas Kuttruf
Die Idee der Moto Guzzi V11 Sport ist gänzlich einfach. Angeschoben vom bekannt druckvollen Italo-Twin, die Überlandpartie bis zum Exzess auskosten. Ganz ohne Schnickschnack. Keine Verkleidung, kein Koffersystem oder vereinfacht ausgedrückt: einmal Guzzi Light. Der Begriff Light ist ja bekanntermaßen auch sehr relativ, doch verglichen mit diversen anderen Modellen aus dem Hause Moto Guzzi tendiert die V11 eindeutig in Richtung Magersucht. So lobenswert das Konzept vom modernen Café Racer made in Italy, so zwiespältig auch der Eindruck, den die V11 Sport im jüngsten Test hinterließ (siehe MQ 1/2000). Der bärenstarke Zweiventilmotor, ein leicht und exakt zu bedienendes Sechsganggetriebe und eine leger sportive Sitzposition, das sind allesamt schmackige Zutaten. Dass die Guzzi bei strammer Fahrt bei bestem Willen nicht zu einer sicheren Gerade- ausfahrt überredet werden kann, trübt das Fahrwerksbild dagegen empfindlich. Das für ein fünf Zentner schweres Gerät phänomenal leichtfüßige Handling ist da nur ein schwaches Trostpflaster.
Aber da gibt es ja noch Dynotec, oder genauer Jens “Guzzman” Hofmann, Tüftler, Denker, Macher, Dengler und Racer in Personalunion, wenn es um die Betonmischer aus Oberitalien geht. Es dürfte weltweit keinen anderen Menschen geben, der mehr Stunden seines Lebens unter einer Guzzi verbracht hat.
Von der historischen Le Mans 850, die auch mal 1100 Kubikzentimeter haben darf und nach einer radikalen Schwungmassenkur vergleichbar mit einer RGV 250 die Drehzahlleiter hochrast, bis zur alles vernichtenden Guzzilla Daytona, kurzum, Hofmann ist Guzzi, basta! Klarer Fall also, dass sich Dynotec der V11 annahm, um die Idee vom tollen Landstraßentwin stilvoll zu Ende zu führen. Das Hauptmanko der mangelnden Fahrwerksstabilität wurde per geändertem Gabel-Offset und Gabelbrücken kuriert. Mit dem so deutlich längeren Nachlauf hält die V11 jetzt bei jeder Geschwindigkeit den Lenker brav still. Zusätzliches Gewicht auf dem Vorderrad und damit weitere Stabilität erhält die Guzzi durch ein speziell nach Hofmanns Ideen gefertigtes Öhlins-Federbein. Die Änderung der Geometrie bringt einen weiteren Vorteil. In Verbindung mit den einstellbaren Lenkerstummeln biegt die V11 nun noch agiler in die Ecken als eine serienmäßige V11 Sport. Das Einlenken erfordert praktisch null Kraftaufwand. Ein beinahe ergreifendes Gefühl, auf einer Guzzi zu sitzen und so spielerisch umherwedeln zu können. Rein subjektiv vermittelt die Dynotec-Guzzi das Gefühl, die Tuner aus der Pfalz hätten der Maschine mindestens 30 Kilogramm Material entrissen. Doch unterm Strich zeigt sich klar die bessere Geometrie für den jetzt überzeugenden Mix aus Handlichkeit und Stabilität verantwortlich. Fahrfertig ist die Dynotec-V11 nur runde zehn Kilogramm leichter als die Serienmaschine ausgefallen. Doch damit nicht genug. Dynotec wäre nicht Dynotec ohne Motortuning.
Auch , wenn der Zweiventiler bereits im Serientrimm sehr bullig agiert, die blaue V11 legt noch ein satte Schippe obendrauf. Mittels Brennraumbearbeitung, Doppelzündung und eines ausgeklügelten Auspuffsystems marschiert die Dynotec-V11 ab 6000 Touren wie entfesselt gen Horizont. Wo der Serienmotor längst ausgehechelt hat, stürmt dieses Triebwerk mit Pauken und Trompeten stramm auf 9000/min zu.
Um bei dieser Performance keinen Zylinderkopf-Salat zu ernten, verstärkte Hofmann den Ventiltrieb massiv. Für die problemlose Verwendung von bleifreiem Sprit wurden die Ventile mit Kohlenstoff beschichtet. Auch, wenn die Leistung insgesamt deutlich anstieg, an Laufkultur hat die Guzzi in keinem Drehzahlband eingebüßt. Und hier liegt der eigentliche Clou des Einspritzers. Dank eines gigantischen Abstimmungs-Know how ist der Twin im Gebrauch völlig problemlos, stirbt nicht ab, verwöhnt mit spontanem Antritt und feinem Rundlauf. Und das Ganze bei einem drastisch breiteren Leistungsband. Wem die 108 PS dieser Leistungsstufe dennoch nicht reichen sollten, der darf gegen Aufpreis jederzeit weitere Cavalli bei Dynotec nachordern. Zwischen Leistungskeule und Drehmomentmonster ist alles möglich.
Das Fazit nach einer großen Runde durch den Pfälzer Wald fällt eindeutig aus. Dieses Gerät verkörpert den Urgedanken vom bollernden Landstraßenkönig. Satter Druck in jeder Lage, ein wieselflinkes und dennoch stabiles Chassis, das Ganze kinderleicht zu bedienen und dennoch mit einem unwiderstehlichen Duft der Ruchlosigkeit. Dafür gehen auch rund vierzehn große Scheinchen Aufpreis zur Serien-V11 in Ordnung. Bleibt nur noch die Frage, wann endlich wird Jens Hofmann Entwicklungschef bei Moto Guzzi?