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Centauro V12 – Mach’ mal blau

Artikel aus Motorrad, Reisen & Sport , Heft 10/1999

Mach’ mal blau

Dynotec Moto Guzzi Centauro V 12
Dem tristen Alltag und den Schwächen des Serien-V-Zwos entfliehen – kein Problem mit dem kräftigen Ross aus dem Stall der Flörsheimer Motorspezialisten
von Thomas Schmieder

Jens Hofmann, Ingenieur der renommierten Tuning-Schmiede Dynotec, wollte nur “eine vernünftige Abstimmung” für den Guzzi-Vau  – und mobilisierte mit 125 PS und ebenso vielen Newtonmeter Drehmoment ein beachtliches Potential. Seine Centauro V 12 agiert zudem sehr kultiviert. Selbst im fünften Gang unter 2000 Touren läuft der Motor ohne unwillige Schüttelei. Oben ‘raus sind die derben Vibrationen eliminiert – durch feingewuchtete Kurbelwelle und perfekten Massenauspleich der modifizierten Motor-Innereien: Neue Zylinder mit 100er Kolben und Carillo-Pleueln haben 1225 Kubik in den bearbeiteten Brennräumen. Ferner umfasst der tiefgreifende Umbau Nockenwellen mit anderen Steuerzeiten, größere Ventile sowie spezielle Zahnriemen und Kopfdichtungen. Das in Bauhöhe und Zylinderwinkel auf wirkliche 90° (!) korrigierte Triebwerk erhielt für bessere Standfestigkeit eine Ölwanne in V-Form mit mehr Inhalt und außenliegender Filterkartusche. Ein frei programmierbares Eprom rundet das Tuning für rund 8400 Mark ab.  Die infernalisch klingende, komplett neue Auspuffanlage schlägt ab 2000 Mark zu Buche.

Dynotec (Telefon: 06243/5882) hat dank Baukastenprinzip für, alle Mandello-Motoren individuell passenende Lösungen parat. Nach einer umfangreichen Fahrdatenanalyse mit Lambda-Regelung gibt’s noch ein Jahr Garantie. “Prüfstandsmessungen allein sind viel zu wenig”, sagt Hofmann. Das Resultat der peniblen Arbeit sind feurige Fahrleistungen: 3,3 Sekunden bis Tempo 100; der Durchzug von 60 auf 140 liegt mit unter acht Sekunden fast auf Rl-Niveau! Im ersten oder zweiten Gang steigt das Vorderrad fast von allein. Subjektiv schaltet der V2 bei 5000 Touren den Nachbrenner ein und dreht vehement hoch; erst bei 8666 Touren (der Drehzahlmesser hat 333er Skalierung) gebietet ein Begrenzer Einhalt –  auf der Autobahn bei Tempo 215. Das reicht aus, denn die Miniverkleidung bietet kaum Windschutz. Serienbremsen mit Nachrüst-Belägen halten das Bike gut dosierbar und sicher verzögernd im Zaum.

“Wer Guzzi fährt, muss kompromissbereit sein”, sagt Hofmann. Das gilt besonders fürs Fahrwerk: Der Einsitzer ist handlich genug fürs Kurvenschwingen, weniger fürs Rasen. 1n Schräglage bietet die Diva im blauen Sonderlack genügend Bodenfreiheit, reagiert aber nervös auf Bodenwellen; der auf der verbreiterten Felge verbaute 18Oer-Michelin-Hinterreifen hat daran sicher Anteil. Jeder Lastwechsel und das Aufstellmoment beim Anbremsen gefährden die anvisierte Linie. In schnellen, langgezogenen Kurven pendelt’s. Geerbt hat die V 12 den weit nach hinten gerückten Sitz, geringen Lenkeinschlag, die hohe Kupplungshandkraft und langen Schaltwege des überarbeiteten, nun besser rastenden Getriebes. Der Seitenständer liegt zu dicht am Edelstahlkrümmer. Aber wir wollen nicht kleinlich sein, den dieses Motor-Rad weckt den innigen Wunsch, alles stehen und liegen zu lassen und wieder raus auf die Straße zu fahren…