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Dynotec Guzzilla Sport

Artikel aus Motorrad-Magazin MO, Heft 02/2001

Dynotec Guzzilla Sport

DEUTSCHLANDS STÄRKSTE GUZZI

Das Ziel war klar. Mit der letzten Entwicklungsstufe der Moto Guzzi-befeuerten Dynotec Guzzilla ging es nach Oschersleben, um die Britten V 1000, den vielleicht besten Twin der Welt, aufzumischen. Doch dann kam der Regen
von Thomas Kuttruf

Keine zwei Jahre ist es her, da fuhr ich mit einer von Dynotec getunten Moto Guzzi Daytona schneller im Kreis als mit einer R1 und war mir sicher, die maximal machbare Guzzi unterm Hintern zu haben. Und jetzt das.
Ich stehe in Oschersleben vor einer Daytona, die dank der unermüdlichen Entwicklungsarbeit von Dynotec, speziell vom nahe am völligen Wahn operierenden Mister Guzzi Jens Hofmann, nur noch im Ansatz mit ihrer Vorgängerin zu tun hat.

Angefangen beim monströsen Zweizylinder. Als wären 1225 Kubikzentimeter nicht genug, wurde der Hubraum nochmals kräftig aufgestockt. 82 Millimeter Hub mal 100 Millimeter Bohrung ergeben exakt 1288 Kubik. Schluck. Nach grob gewichtsreduzierenden Maßnahmen an den Motorinnereien und gekonnter Zylinderkopfbearbeitung stehen jetzt “getüvte” 134 PS und 130 Nm zu Buche. Besonders interessant ist aber die aufwändige Motorperipherie. Basierend auf der serienmäßigen Hardware obliegt die Steuerung der Einspritzanlage einem System von Moto Spezial. Die Rechnereinheit ist frei programmierbar und platzsparend in einer schlauen Infozentrale, die gleichzeitig als Diagnosegerät funktioniert, verstaut. Das schmucke Gerät informiert neben Drehzahl und Temperatur auch über die jeweiligen Drosselklappenpositionen. Alle Betriebszustände lassen sich von einem routinierten Bediener mittels Notebook zudem in Sekundenschnelle auslesen und genauso flott beliebig korrigieren. Das Brennen von immer neuen Einspritz-Chips fällt flach.
Ein weiteres, absolut zukunftsweisendes Schmankerl ist die nach Hofmanns Ideen von SR-Racing gefertigte Auspuffanlage. Neben der idealen Lage direkt unter dem Twin protzt die Edelstahlanlage mit einem geregelten Kat. Für die Entwicklung des Guzzi-Tuners, der Einspritzgurus und des Auspuffbauers gibt’s Applaus – und den Segen des TÜVs.

Sie werden sich jetzt fragen, warum die Daytona auf einigen Fotos mit einer anderen Dämpferanlage und zwei hoch- gezogenen Töpfen zu sehen ist. Diese Volloffen-Variante kam in Qschersleben zum Einsatz, nachdem die Guzzi im Training zwar sehr kultiviert, aber schlicht zu lasch marschierte, um der harten Konkurrenz gefährlich werden zu können.

Sicher die schönste Neuheit an Guzzilla ist das Heckteil. Jens Hofmann zeichnete, bestimmte die Proportionen, Martin Sauer klöppelte eines seiner Alu-Kunstwerke und nach jener Vorlage, die gerechterweise in eine Galerie gehört, formte Spezialist Clemens Driesch das Endprodukt aus Kohlefaser. Das ultrasteife, selbsttragende Heck beinhaltet zudem die große Ansaug-Luftkammer. Alles andere als minderwertig, treten die übrigen Fahrwerkskomponenten, wie der Eigenbaurahmen, der weitreichende Geometrieänderungen gestattet, gegen dieses Kunstwerk in den Hintergrund.

Nun gut, den Preis für Optik und Innovation hat das MO-Mobil-Rennteam damit gewonnen. Doch was zählt, ist der Sieg auf der Strecke. Ich habe mir fest vorgenommen, den ungebrochenen Einsatz für das überlegene Konzept seitens Dynotec mit einem Sieg zu belohnen. Von Bakker-Barracuda über top aufgebaute Bimotas und Ducatis, schnelle BMW-Boxer bis zur einmaligen Britten ist beim bedeutendsten Zweizylinder-Rennen auf deutschem Boden während dem Festival Ducati alles am Start.

Da die Dynotec-Guzzi erst auf den allerletzten Drücker für die große Schlacht fertig wurde, gehen sämtliche Trainings für Abstimmungsarbeiten drauf. Erst im Warm-up rennt der fette Schlegel so, wie er soll. Die Britten fehlt dank eines kapitalen Motorplatzers im Training in der Startaufstellung. “Freunde, zieht euch warm an”, denke ich, als ich in der dritten Startreihe auf “Grün” warte. Es regnet. Nach 300 Metern ist die Show vorbei. Die Guzzi steht im Gras.

Später stellt sich heraus, dass Wasser einen der beiden Drosselklappensensoren außer Gefecht gesetzt hat. Bleibt die Frage, warum Gott nicht gewollt hat, dass eine blaue Moto Guzzi ein Sound of Thunder-Rennen gewinnt? Aber keine Sorge, Guzzilla kommt wieder.

Dynotec Guzzilla 2V Racing

Artikel aus Motorrad, Heft 22/2000
(von Jörg Schüller)

Dynotec Guzzilla 2V Racing

Der Geist in der Maschine – er pocht, irgenwo verborgen zwischen Mechanik, Verbrennungen und huschenden Elektronen. Wo lebt er, und wo finden wir ihn? Wie gewinnt ein Motorrad seinen Charakter, lässt er sich kultivieren, steigern? Oder vielleicht nie verändern? “Mister Guzzi” Jens Hofmann begab sich schon vor Jahren auf die Suche. Sein Thema: Moto Guzzi. Seine Quintessenz: die Dynotec-Guzzilla.
von Jörg Schüller

Die Startmaschine läuft, dreht den Hinterreifen, einkuppeln, in kurz unwilligem “Uffa-uffa-uffa” stemmen sich die Kolben gegen die Verdichtung. Dann erklingt der sonore Sound, den nur ein 90-Grad-V2 erzeugt. Weich, mit starkem Ego, einerseits elegant á la Ducati 916, andererseits metallisch wie ein Honda-VTR-SP-Superbike, zunächst gebremst bei moderater Drehzahl – Tribut ans noch kalte Öl. Bald meldet Öldruckmesser Bereitschaft zu härteren Gasstößen, schnarrend bellt Guzzilla ihr Ungestüm in die bebende Umgebung.

Guzzilla ist eine Moto Guzzi. Eine Dynotec-Renn-Moto-Guzzi. Und eigentlich vom Prinzip her ein seltsames Motorrad. Ihre Kurbelwelle rotiert längs zur Fahrtrichtung, ebenso die Getrieberäder und -wellen, schließlich auch der Kardan. Kippmomente um die Längsachse sind so beim Hochdrehen programmiert, zudem bauen Motor und Getriebe lang, Kardanwelle und Schwinge beim gewünscht kurzen Radstand zwangsläufig kurz, was gerade bei einem kräftigen Motorrad für deutliche Antriebsreaktionen bürgt. Dazu bringt der Antrieb per Kardan hohe ungefederte Massen ans Hinterrad und macht eine Anpassung der Übersetzung eher schwierig.

Nicht die beste Basis für ein Rennmotorrad, zumindest aber Garant für ein paar Umwege mehr auf dem Weg nach Olympia. Und solche Widrigkeiten versprechen eine überaus reizvolle Aufgabe: Erfolge zu erzielen trotz offensichtlicher Nachteile, das scheinbar Unmögliche möglich machen. “Mister Guzzi” Jens Hofmann, Techniker, Tuner und Tausendsassa bei Dynotec im rheinland-pfälzischen Flörsheim und außerdem Rennfahrer, wagte sich heran und erschuf einen Underdog, der seine Welt erzittern lässt

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Gasstoß um Gasstoß schnauft Guzzilla freier, ein Display im Cockpit signalisiert eine stetig kürzer werdende Einspritzzeit, offenbar kommt ihr V2 auf Betriebstemperatur. Nach kurzer Zeit läuft sie rund, reagiert gierig auf den Dreh am rechten Lenker. Aufsitzen und akklimatisieren, denn als Renner und Einzelstück passt Guzzilla dem Jens und seinem Fahrstil wie angegossen, wogegen krumme wie große Füße ein bisschen Gewöhnungszeit brauchen. Ansonsten sitzt man perfekt, Lenkerposition, Tankform und Sitzbank formieren eine wahre Spielwiese für den Sportfahrer.

Guzzilla ist mit Sicherheit eine er aufregendsten Guzzi der Welt. Fans kennen sie und ihre Ahnen aus deutschen und europäischen Twin-Meisterschaften, wo Jens sie erfolgreich um die Kerbs treibt. Wie ein Altar aus Aluminium dominiert der Motor ihre Erscheinung, schließt souverän jeden Zweifel an der Familienzugehörigkeit aus, streckt stolz die zweiventiligen Rundköpfe in die Luft.

Ursprünglich entstammt das Kraftwerk – Zugeständnis an die aktuelle Modell-Palette – der sporttouristischen V11. Aber drumherum blieb nichts beim alten. Das Chassis, die Silhouette, die Anbauteile – während er vielen Entwicklungsjahre entstand quasi ein eigenes Motorrad um den gewaltig modifizierten V2.
Erster Gang oben – ein Muss für die Rennstrecke, aber schwer zu realisieren beim Serienschaltgestänge. Das und wie es geht, symbolisiert zugleich das Wesen des Guzzi-Baukastens. Das fünfstufige Schaltwerk selbst entstammt der vierventiligen Daytona, beherbergt in Form einer Kulissenwalze der ehrwürdigen V7 Sport den Schaltschema-Kniff. Richtig gelesen, ein Bauteil aus den frühen siebziger Jahren passt reibungslos in ein zwanzig Jahre jüngeres Getriebe. Diese unerschütterliche Beständigkeit zeugt von verschiedenen Aspekten der Guzzi-Geschichte: von entwicklerischer Schwerfälligkeit oder einfach von mangelnder Finanzkraft, aber auch von Einfallsreichtum und Improvisationsstärke. Nicht unbedingt Bürge für ein State-of-the-Art-Image, aber sicher für einen legendären Ruf.

Noch sind die Michelin-Slicks kalt, Gemächlichkeit ist angesagt. Zeit zur Betrachtung der feinen Dinge. Erstaunlich niedrige Handkräfte am Gasgriff etwa oder verblüffend kurze Schaltwege und dennoch niedrige Fußkräfte. “Nur ans Gaslupfen denken und dabei den Gang ohne Kupplung reindrücken.” ZL zögerliches Schalten fordert Tribut in Form starker Reaktionen. Gewusst wie, flutschen Gänge und Lastechsel dagegen fast reaktionsfrei, beinahe gespenstisch gut. Qualitäten, zu denen der Motor passt.

Luftgeküh[t, mit recht zahmem Hub-Bohrungs-Verhältnis und umständlichem Ventiltrieb, bildet auch er nicht gerade die ideale Basis für kinderreiche Pferdezucht. Fünf Millimeter mehr Bohrung peppen schon mal den Hubraum auf, selbst gefertigte Kolben und heftig überarbeitete Köpfe machen den Brennräumen Feuer, eine Nockenwelle aus Eigenproduktion den Ventilen. Die modifizierte Einspritzung (siehe auch MOTORRAD 21/2000) kultiviert die Leistungsabgabe, angesaugt wird in einer äußerst voluminösen, von Heru realisierten Kohlefaser-Airbox, entsorgt dann via respektgebietender Krümmeranlage und bildschönen SR-Racing-Schalldämpfern.

123 PS bei 8900/min, 118 Newtonmeter bei 6500/min. Der V2 drückt mächtig, aus niedrigen, mittleren, hohen Drehzahlen, jederzeit gut dosierbar und schön gleichmäßig. Ans Wunderbare grenzt, dass er kaum einmal spürbare Vibrationen äußert, beinahe so kultiviert läuft wie ein Sechszylinder. Vehement schiebt er die Guzzi in Richtung Bremszone, ankern, lösen, Scheitelpunkt passieren, rausbeschleunigen – faszinierend harmonisch verläuft die Koordination der Aktionen, formiert sich die Kurvenfahrt zu einem Traumerlebnis.

Wie ein Energiestrom durchfließt die Arbeit des Motors den Fahrer, schließt ihn quasi in einen Erlebnisstrudel ein, der seine Kraft aus dem bezieht, was in den Brennräumen als Explosion stattfindet, über allerlei mechanische Umwege Vortrieb wird. Geräusche, geformt aus rauchender Resonanz am Lufteinlass und den rhythmischen Schlägen der Verbrennungen. Dazu die Kräfte, die am Fahrer stoßen und zerren, mal fast wie im freien Fall, mal kurze, harte Bewegungen, erzeugt vom Asphalt und vom Fahrtwind. Kurz: Motorrad fahren.

Nur wenige Motorräder bringen das so geballt rüber wie Guzzilla. Und nur wenige verhalten sich dabei so vorbildlich. Die Macht des Triebwerks stets präsent, zieht sie ihre Bahn in beispielloser Manier, macht nur – und wirklich nur – was der Fahrer ihr befiehlt, Kennt keine Aufstellmomente beim Bremsen, will keinen weiten Bogen fahren beim Herausbeschleunigen. Widersetzt sich keiner Schräglagenkorrektur, zieht einfach immer den vorgegebenen Strich. Wirklich ein tolles, fast geniales Fahrwerk, das alles gut kann und in Schräglage beispiellos funktioniert.

“1993 hab’ ich meine erste Daytona gekauft. Bin einmal die Straße rauf und runter und dann direkt in die Werkstatt. Flex her und Lenkkopf abgeschnitten.” Ein Mann der Tat, der Jens. Schon damals hatte der Radikalschnitt das Ziel, die Einheit aus Rahmen und Motor kompakter, dafür die Schwinge länger zu gestalten. Es folgte eine Entwicklungsgeschichte, in deren Verlauf nicht nur die vielleicht stärksten Guzzi überhaupt entstanden – die Vierventiler drückten am Ende 164 PS -, sondern auch die mit den besten Fahrwerken. Über Umwege trug witzigerweise BMW dazu bei, denn Hofmanns Freund Andreas Fröse schrieb dort eine Diplomarbeit zum Thema “Stabiler Zentralrohrrahmen”. Was die Bayern theoretisch interessierte, setzten Fröse und Hofmann in die Realität um, garnierten das neue Chassis mit einer langen “Bananenschwinge” von Alu-Künstler Martin Sauer.

Ein gewaltiger Schritt vorwärts, doch damit nicht genug: Jedes Training, jeder Renneinsatz war gleichzeitig Experiment, unermüdlich entwickelte Hofmann, tüftelte die beste Fahrwerksgeometrie aus, die am besten geeignete Momentabstützung am Kardan, die ideale Motorkonfiguration und -position, dazu Kennfelder, Ergonomie, sogar ein wunderschönes Design. Mit einem Ergebnis, auf das so mancher große Hersteller stolz sein könnte. Jens Hofmann hat ihn geweckt, den Geist in der Maschine. Mit Ehrgeiz und Know-how, in einer Art und Weise, die ganz Mandello schamesrot im Comer See versinken lassen könnte, Vielleicht gibt ein Motorrad wie die Guzzilla ja wichtige Impulse, um Moto Guzzi, unter Regie des Giganten Aprilia, zu neuem Glanz zu führen.