Koch mit zwei Töpfen

Artikel aus Motorrad

Koch mit zwei Töpfen

Gans oder Guzzilla? Sternekoch Vincent Klink brät nicht nur den einen Vogel mit Leidenschaft. Auch die Adler aus Mandello haben es dem Meister am Herd angetan. Ein Besuch in seiner „Wielandshöhe“ über den Dächern von Stuttgart

von Jörg Lohse; Fotos: Markus Jahn

Und wieder streicht dieses spitzbübische Grinsen über sein Gesicht. In solchen Augenblicken erinnert Vincent Klink mehr einem Schulbub, der gerade einen prächtigen Streich ausgeheckt hat, als einem in Würde gealterten Sternekoch der Ü60-Generation. Wir befinden uns in seinem Refugium unter der „Wielandshöhe“. Klinks Tempel für Genießer, ein weißer Kubus, gradlinig und ohne Schnörkel. Der Bau passt genauso zur Kochphilosophie des Meisters wie der der fantastischen Blick über die Schwabenmetropole Stuttgart: bodenständig wie weltoffen.

Während in der feinen Sternewelt im Erdgeschoss die Gläser beim Eindecken leicht klirren, bricht eine Etage tiefer der Orkan los. Es zischt, dampft und brodelt, als Vincent Klink in der vollgestopften Einbaugarage seine Guzzilla anwirft. In das Grummeln des urwüchsigen V-Zwos mischt sich herzhaftes Lachen des Küchenchefs, als er auf das Schild zeigt, das über der Werkbank hängt: „Vorsicht spielende Kinder!“ Das ist in diesem Moment genau seine Welt. Und die ist gar nicht mal so weit weg von seiner Passion als leidenschaftlicher Koch.

Allerdings lässt Klink den Spieltrieb nur von Sonntag in der Früh bis Montag abend raus, wenn er sich und dem Team der Wielandshöhe zwei Ruhetage gönnt. Die knapp bemessene Freizeit nutzt der Mann am Herd pragmatisch: 600 Kilometer zum Renntraining nach Oschersleben? Werden bei Wind und Wetter eben auf der Guzzilla abgeritten: „Nur Tanken und Pinkeln!“. Genießt die Landschaft („Der Ostharz, ein Traum“) und zuckt auch nicht vorm heißen Würstchen beim Tankstopp zurück: „Da geht es ja ums Überleben!“ Zurück an den Herd, in wenigen Stunden kommen die ersten Mittagsgäste, in der Tiefgarage rauscht das Tor runter und der Koch in die Küche. Wer in dem rund 30 Quadratmeter großen Raum nun Hektik und Geschrei erwartet, wie man es aus den allgegenwärtigen TV Kochsendungen kennt, wird erstaunt sein: Ruhig und konzentriert stehen Klinks Köche an ihren Plätzen. Jeder Handgriff sitzt, die perfekte Abstimmung funktioniert auch ohne laute Worte. Der Chef greift zum Probieren nach dem Schenkel einer Wachtel: „Perfekt, gut gemacht!“ Mit anerkennendem Kopfnicken geht es zum nächsten Topf. „Wenn die Gäste kommen“, erklärt Klink, „muss in der Küche der Großteil der Arbeit schon erledigt sein.“ Dass sich der Sternekoch auf sein Team verlassen kann, zeigt sich an jedem Donnerstag, wo Klink „aus alter Gewohnheit“ nicht in der Wielandshöhe, sondern bei seinem „Haussender“, dem Südwestrundfunk in Baden-Baden als TV-Koch mittags beim „ARD-Buffet“ auftischt.

Die 200 Kilometer hin und zurück spult Klink nach Möglichkeit auf seinen Guzzis ab. Die Liebe zum Motorrad entfaltete sich erst spät („Mit 44 habe ich mich zusammengerissen und endlich den Motorradführerschein gemacht!“), nachdem das Vespa-Erlebnis („rückblickend ein Gelump“) ausgereizt war. Beim Soundcheck überzeugte Ducatis Sport Desmo. Doch technisch versagte der 500er-Paralleltwin auf ganzer Linie. Klinks bittere Bilanz: „Der größte Scheiß aller Zeiten!“ Es folgte ein ebenso mies abgestimmter Moto Guzzi Le Mans IV-Umbau („Ich weiß nicht, welche Idioten sich damals mit Motorrädern beschäftigt haben“), aber die Leidenschaft für die Adler vom Comer See war geweckt: „1998 dachte ich, jetzt machste einen auf Rentner, du brauchst `nen Chopper.“ Doch in Sachen Performance wollte die nagelneue California EV nicht überzeugen, und irgendwann stand Klink bei Guzzi-Tuner Jens Hofmann (www.dynotec.de) auf der Matte: „Und da“, wieder steht ihm der Schalk ins Gesicht geschrieben, und die Augen leuchten über dem Brillenrand, „ging der Wahnsinn wirklich los!“ Warum zu den Kundendiensten hin per Achse und zurück mit dem Zug, wenn die Hofmann‘sche Probierstube lockte? Genussmensch Klink schlug zu: Über die Jahre wanderten eine Le Mans II mit Dynotec-Fahrwerk, eine V 11 mit Sportmotor-Kit und zur Krönung schließlich die 140 PS starke Guzzilla auf Basis einer Daytona mit selbsttragendem Karbonheck in die Tiefgarage in Stuttgarter Halbhöhenlage. Inklusive der feingetunten Cali, die „es mit mir dicken Kerl nun auf Tacho 190 bringt. Große Scheibe, aufrecht sitzend!“ Schmunzeln, Augenzwinkern: „Alles natürlich straßenzugelassen!“ Doch damit nicht genug: „In der Werkstatt vom Jens,“ schwärmt Klink, „würde ich gerne mal ´ne Woche schaffen!“


Gattin Elisabeth, die mit viel Geschmack und Einfühlungsvermögen den ebenso nobel wie dezent arrangierten Gästebereich der Wielandshöhe dirigiert, steht der Motorradleidenschaft ihres Gemahls zwar immer noch skeptisch gegenüber, verzichtet aber mittlerweile auf kritische Einwände: „Selbst, als sie kürzlich bemerkte, dass nicht wie angenommen drei, sondern vier Maschinen in der Garage stehen.“ Zumal die eine Leidenschaft mit einer anderen hart erarbeitet wird. Für Klink beginnt der Tag morgens um halb sechs nicht in der Küche, sondern im Übungsraum an der Basstrompete. Und nach dem Mittagsschlaf stößt Klink nochmals für zwei Stunden in „dieses fette Horn“. Die Folge: Auf in der lokalen Szene hochgelobten Jazzabenden spielt sich der Meisterkoch das notwendige Budget für den Fuhrpark zusammen. Pur und unverfälscht, dazu aber genau die richtige Portion Finesse, die es typisch und charaktervoll machen: Das Bild passt zu Klinks Küche wie zu den Guzzis in seiner Garage. Das Fleisch gleitet vom Schenkel der Wachtel und zergeht auf der Zunge. Noch bevor man verklärt die Augen verdreht, steht schon der Meister schmunzelnd am Tisch: „Schmeckt‘s?“

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